Digitalisierung – Herausforderungen der Transformation von Geschäftsmodellen

Bislang konnte Deutschland seine starke Position in der herstellenden Industrie stabil halten. Jedoch wird die digitale Transformation die Industrie vor neue Herausforderungen, aber auch neue Produktwelten und Geschäftsmodelle, somit auch neue Produktions- und Fertigungsmodelle stellen. „Die Revolution betrifft Deutschland im Besonderen, denn hier ist der Maschinenbau stark, hier werden Premiumprodukte wie in keinem anderen Land der Welt geschaffen und hier ist Software inzwischen Innovationstreiber Nr. 1.“[1] Dies ist eine hervorragende Voraussetzung, um den notwendigen Veränderungsprozess in der Industrie anzugehen. Zukünftig „stehen Unternehmen vor der Herausforderung, auf Veränderungen ihres Umfeldes schnell zu reagieren und sich durch innovative Geschäftslösungen gegenüber der Konkurrenz zu differenzieren.“[2] Durch flexible Fertigungsprozesse entstehen neue Produkte, die so smart sind, dass sie erst im Prozess der Nutzung vom Endanwender ihre endgültige Ausprägung bekommen.[3]

„Eine smarte Fabrik benötigt durchgängige Prozessketten vom Design über die Fertigung bis hin zur Logistik. Doch hierfür müssen […] alle Prozesse vernetzt sein und miteinander kommunizieren können.“[4] Die durchgängige Prozesskette in der Fertigung der Zukunft verlangt eine intelligente Vernetzung von Werkzeugmaschinen und IT-Systemen. Aus diesem Grund sind Paketlösungen (CAD/CAM-Systeme, Steuerung, Maschine) aus einer Hand und somit die Risikoreduktion der Schnittstellenkompatibilität für den Anwender von Bedeutung. Der Trend geht zur durchgängigen Übernahme der Daten im gesamten Produktentstehungsprozess und darüber hinaus bis zum Kunden und der damit verbundenen Überwachung und Verifikation des gesamten Fertigungsablaufes in den Bearbeitungszentren. Die Realisierung durchgängiger Prozessketten ermöglicht erheblich kürzere Durchlaufzeiten und ist in der Lage, mit einer selbstüberwachenden Fertigung die Qualität und Prozesssicherheit nachhaltig zu verbessern.[5] Beim Fertigen kleiner Losgrößen (mit häufig wechselnden Werkstücken) entscheidet die Prozesssicherheit über Flexibilität und Wirtschaftlichkeit.

Maschinenbediener erhalten direkt an der Maschine vollen Zugriff auf die gesamte Prozesskette und damit auf Auftragsdaten wie z. B. technische Zeichnungen, CAD-Daten, NC-Programm, Werkzeugdaten, Arbeitsanweisungen, Bestückungslisten oder Lagerinformationen. Die während der Fertigung an einer Maschine entstehenden Daten und Informationen werden an anderer Stelle in der Prozesskette weiterverwendet und verarbeitet. Dazu gehören etwa Daten über Anpassungen am Bearbeitungsprogramm oder Anpassungen von Technologiewerten, die an der Steuerung vorgenommen wurden, aber auch Prüfberichte, die im Fertigungsablauf entstehen oder das Zurückmelden von Fertigteilen und von Restmaterial.[6] Außerdem muss die Prozesskette in der Lage sein, Datenrückfluss aus der Fertigung vollständig und systematisch zu unterstützen.

Bevor die digitale Transformation in einem Unternehmen angewandt werden kann, ist es notwendig eine kontinuierliche, fehlerfreie Datenverfügbarkeit zu gewährleisten sowie die notwendigen digitalen Datenanalysetechniken zu verstehen und anzuwenden. Erst durch die Auswertung von Daten können Informationen gewonnen werden. Diese Informationen werden durch den Einsatz geeigneter Visualisierungsformen sowie des Business Intelligence in einer geeigneten Weise zugänglich gemacht. Durch Interpretation und Suggestion von Informationen lassen sich Schlüsse aus den Rohdaten ziehen und neues Wissen generieren.

Datenebene

Datenverfügbarkeit/ Datenerfassung

Im Zuge der durch die Bundesregierung vorangetriebenen Digitalisierung deutscher Unternehmen ist ein deutlicher Missstand der Datenverfügbarkeit vor allem bei kleinen und mittelständischen Unternehmen zu verzeichnen. Als Hauptgrund dafür zeichnen sich die, im Gegensatz zu großen Industriebetrieben, nicht standardisierten Geschäftsprozesse ab. Des Weiteren leistet die Informationsverarbeitung und dem vorausgehend die Datenanalyse keinen unmittelbaren Beitrag zur Wertschöpfung eines Unternehmens und wird daher nicht als notwendige Arbeit angesehen. Oftmals fehlt es zudem an geeignetem Personal. Zudem ist die Datenerfassung kleiner und mittelständischer Unternehmen in Deutschland ist nach Einschätzung von J. Reker und K. Böhm[7] oftmals schlecht. Dies resultiert in einer schlechten Datenqualität, hervorgerufen durch Lücken in Datensätzen, fehlerhafte und unsaubere Daten. Die Sicherstellung der Datenqualität ist jedoch Voraussetzung für die Analyse der Daten und die daraus resultierende Gewinnung von Informationen.

„Angetrieben von technischen Innovationen in der Informatik stehen [in Unternehmen] immer mehr Daten zur Verfügung, die potentiell übertragen, gespeichert und analysiert werden können, um daraus nützliche Informationen als Grundlage für neue Dienste zu gewinnen.“[8] Big Data bezeichnet Datenmengen, die zu groß oder zu vielfältig sind, und die sich zu schnell ändern, um sie mit händischen und klassischen Methoden der Datenverarbeitung auszuwerten. Die Herausforderungen im Bereich Datenmanagement beziehen sich auf eine effiziente Speicherung, Verteilung und Bereitstellung der großen Datenmengen. Dabei geht es zum Beispiel um neue Speicherarchitekturen im Cloud-Bereich oder auch geeignete Netzwerktopologien für Datenzentren, welche Big Data-Analysen umsetzen. Im Bereich Datenanalyse sind geeignete statistische oder mathematische Algorithmen zur Modellierung und Darstellung der unterschiedlichen Daten sowie angepasste Mechanismen zur Wissensentdeckung auf großen und dynamischen Datenvolumina relevant. Im Bereich Datenschutz ergeben sich ebenfalls interessante wissenschaftliche und gesellschaftliche Herausforderungen.

Rund 30 % der in einem Unternehmen verwendeten Daten stammen nicht aus dem eigenen Unternehmen. Hinzu kommt, „dass nur noch etwa 50 % der Daten klassisch strukturierte Daten sind.“[9] Die größte Herausforderung stellen die aus unstrukturierten Quellen und Massendaten vollständig automatisiert extrahierten Daten dar, da deren Datenqualität nicht vorab definiert ist.

Die durch den Einsatz zunehmend vernetzter Systeme im Zuge von Industrie 4.0 resultierenden Datenströme stellen durch ihre enorme Geschwindigkeit und das daraus resultierende Volumen Herausforderungen im Bereich Big Data dar. Meist ist eine Speicherung aller Daten zu vertretbaren Kosten nicht möglich. Verfahren der Datenanalyse müssen zukünftig verstärkt in verteilten Szenarien operieren können und in der Lage sein, flexibel zu entscheiden, wo (lokal oder global) welche Daten analysiert oder verworfen werden.

Nach den Ausführungen von Wrobel lassen sich vier große Trends hinsichtlich immer schnellerer Verfügbarkeit großer heterogener Datenmengen beobachten.

  • Digitale Konvergenz und converged network Die digitale Konvergenz bezeichnet die zunehmende Verwendung digitaler anstatt analoger Signale. Diese Konvergenz bezieht sich schon heute auf immer größere Teile zwischenmenschlicher Kommunikation sowie die Interaktion einzelner Funktionsbereiche in Unternehmen. Dazu zählen neben dem Datenverkehr auch der Austausch von Sprache und Video. In den letzten Jahren stieg der Datenverkehr exponentiell an. Um den Anforderungen ihrer Datenkommunikation zu genügen, müssen die Unternehmen baldmöglichst in eine neue Dateninfrastruktur investieren. Diese Bedarfe decken zusammengeführte converged networks. Dahinter steht das Konzept, separate Telefon-, Video- und Datennetzwerke in einem einzigen IP- Datennetzwerk zusammenzuführen.
  • Ubiquitäre intelligente Systeme In der Industrie finden sich zunehmend ubiquitäre intelligente Systeme. Produktionsprozesse werden zukünftig zu cyber-physischen Produktionssystemen umgestaltet. Dabei beschränkt sich die Digitalisierung jedoch nicht nur auf den Produktionsprozess als durchgängige Prozesskette, sondern viel mehr auf die Erweiterung der Produktion durch intelligente Produkte mit eigenen digitalen Produktgedächtnissen. Produktions- und vor allem mitarbeiterunterstützend wirkt sich der Einsatz von Augmented Reality in der Produktion aus. A.-W. Scheer gibt dazu einen sehr gelungenen Ausblick.
  • Nutzererzeugte Inhalte Die Menge der durch die Nutzer erzeugten Daten steigt seit einigen Jahren rasant an. Der Vorgang der Datenerzeugung lässt sich vom privaten Nutzungsverhalten auf die Datenerzeugung in Unternehmen adaptieren.
  • Verknüpfte Daten Erst die Verknüpfung von digitaler Konvergenz, ubiquitären intelligenten Systemen und nutzererzeugten Inhalten führt zu einem Mehrwert der Nutzung der Daten. Im Hinblick auf den Wechsel einer modellgetriebenen hin zu einer daten- und modellgetriebenen Herangehensweise der Geschäftsprozessmodellierung muss überprüft werden, welche Arten von Daten zur Beschreibung der Wirklichkeit zur Verwendung herangezogen werden können. Es handelt sich bei den Daten, die für Big Data zur Verfügung stehen nicht um gezielte und sorgfältig erhobene experimentelle Daten, sondern sie sind durch unterschiedliche Prozesse in unsystematischer Weise erzeugt und zusammen gewürfelt.[10]

Big Data im Unternehmen

Es stellt sich die Frage, ob der Einsatz von Big Data-Analysetechnologien tatsächlich schon dabei ist, die erwarteten wirtschaftlichen Effekte zu erzielen und ob Unternehmen das Potential tatsächlich schon in Big Data-Projekten realisieren können. Weitere, vor allem von Unternehmensberatungen veröffentlichte Studien zielen seit einiger Zeit darauf ab, die wirtschaftlichen Effekte eines durchgehenden Einsatzes von Big Data-Analysetechnologien abzuschätzen. Die Vielzahl dieser Studien belegt, „dass Big Data als Schlüsseltechnologie für wettbewerbsfähige Volkswirtschaften angesehen wird [und] Unternehmen im Moment auf breiter Fläche in das Thema Big Data investieren, dass dies quer über alle Branchen passiert, und dass als Resultat von Big Data-Projekten tatsächlich deutliche wirtschaftliche Vorteile und eine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit gesehen werden.“[11]

Eine im Auftrag des BMWi durchgeführte Studie zur Innovationspotenzialanalyse ergab beispielsweise, dass

  • 69 % der Befragten strategische Wettbewerbsvorteile durch Big Data erzielen wollten,
  • 78 % damit rechnen, dass sie ihre personellen Ressourcen im Bereich Big Data verbessern müssen,
  • 67 % der Befragten eine Steigerung des Budgets für Big Data-Themen (Technologien, Analysen, Datenquellen) erwarten.

In der Studie des MIT Sloan Management Review zur Nutzung von Business Analytics als Wettbewerbsvorteil schätzten 67 % der befragten Unternehmen dies positiv ein. Eine weitere Studie des MIT Centre of Digital Business hat ermittelt, dass bei Unternehmen, die die digitale Transformation sowohl technisch als auch von der Unternehmensstrategie her umsetzen, die Erträge 9 %, die Profitabilität 26 % und die Marktbewertung 12 % über dem Durchschnitt lagen.

Herausforderungen der digitalen Transformation im Unternehmen 

Generell zeichnet sich eine positive Einstellung der Unternehmen gegenüber dem Einsatz von Big Data im Unternehmen ab. Jedoch sehen lediglich 8 % der befragen Unternehmen […] keine Umsetzungsbarrieren bei der Nutzung von Big Data-Technologien.[12]

Studien zeigen, dass die Nutzung digitaler Technologien nur in Kombination mit einer entsprechenden grundlegenden Transformation des Unternehmens zu einer überdurchschnittlichen Entwicklung des Unternehmens führt. Die bisherigen klassischen Ansätze zur Unternehmensmodellierung existieren zwar weiterhin, sind aber in der Praxis sehr aufwendig. Insbesondere bei steigender Agilität der Unternehmen erweisen sich diese Modelle als Zeitfresser, denn Unternehmen, die nicht schnell und kostengünstig denken können, können Sachverhalte und Prozesse nicht gezielt umsetzen. Zudem haben die Ergebnisse der aus Kostengründen meist nur qualitativ erstellten Modelle nur eine eingeschränkte Aussagekraft. Quantitative Aussagen, bspw. zum Business Case, werden in der Regel separat und mit erheblichem Aufwand erzeugt. Des Weiteren lassen sich Chancen und Risiken besser abschätzen. Der Einsatz von Big Data im Unternehmen führt im Idealfall durch „erhöhte Agilität in ein datengetriebenes Unternehmen (Data Driven Company) […], dessen Fähigkeit zum schnellen Wandel [neben dem operativen Geschäft] auch die Fähigkeit zur raschen, marktgetriebenen Einführung von neuen Produkten, Prozessen und Unternehmensstrukturen im Sinne eines umfassenden Change Managements [aufweist].“[13] Dies kann allerding nur erreicht werden, wenn die Voraussetzungen für den Einsatz von Big Data-Technologien im Unternehmen gegeben sind.

Geschäftsmodelle verlagern sich zukünftig immer mehr von der realen in die virtuelle Welt. „Die zunehmende Prozessorientierung der Unternehmen und die damit erforderte Transparenz über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg haben eine Zunahme der Digitalisierung zur Folge.“[14] Getrieben wird Digitalisierung sowohl durch interne als auch durch externe Treiber. Hervorzuheben sind dabei die Potentiale aus modernen IKT. Einerseits ermöglichen IKT neue Geschäftsmodelle, andererseits bilden sie „die Basis für das Aufbrechen der traditionellen Wertschöpfungskette in ihre Bestandteile mit anschließender Reorganisation.“[15] Weiterhin ist zu erwarten, dass der Innovationsgrad bzw. die Unterstützung der Kernprozesse durch IKT ausschlaggebend für den hohen Digitalisierungsgrad ist. Dies kann zu einer Bedrohung für bestehende Geschäftsmodelle aber auch zu einer Chance für alternative Geschäftsmodelle werden. Im Rahmen der digitalen Transformation stehen dem Unternehmen die drei wesentlichen Handlungsoptionen bewusster Verbleib, Überholung oder Neumodellierung zur Verfügung. Zukünftige Veränderungen und die Notwendigkeit der Transformation ergeben sich hauptsächlich aus dem dynamischen Markt, der Ungewissheit in der Branche und sich stark verändernden Kundenanforderungen.

Funktionsbereiche

Das klassische Schema der Wertschöpfungskette ändert sich im Kontext der Digitalisierung zunehmend, da nicht nur die Wertschöpfungskette an sich, sondern auch einzelne Aktivitäten einem Wandel unterworfen sind, der sich durch die Nutzung von IKT ergibt. Der Faktor Information überholt zusehens den Faktor Produktion. Die Transformation findet vor allem bei der Pflege der Kundenbeziehungen sowie der Darstellung des Angebots durch die Nutzung von IKT statt. Weiterhin spielen das zur Verfügung gestellte Budget und die Erfahrung mit den IKT eine wesentliche Rolle.

Grenzen der digitalen Transformation

Die Ergebnisse der Studie zeigen, das vor allem mittelständische Unternehmen zum Teil hohe Erwartungen an die digitale Transformation knüpfen. Durch den Einsatz von IKT kommt es zur Steigerung von Effektivität (Zielerreichungsgrad) und zur Erreichung von Effizienz (Wirtschaftlichkeit). Problematisch gestaltet sich jedoch die Erreichung der Erwartungen, da viele Mittelständler nicht in der Lage sind, den vollen Funktionsumfang von Systemen auszureizen. Differenziert man nach manager- und eigentümergeführten Unternehmen, so weisen managergeführte Unternehmen eine höhere Effizienz der Digitalisierung auf.

Informationsebene

Informationen werden im Zuge von Digitalisierung und Big Data immer wichtiger und immer komplexer, deshalb stellt eine funktionierende Informationsversorgung die Grundlage eines Unternehmens dar. Zunehmend wird ein Trend hin zur Individualisierung der Informationsversorgung zu verzeichnen sein. Gründe dafür liegen vor allem in der Individualisierung der Produktion sowie der einzelnen Produkte. „Agilität ist das Kernelement einer funktionierenden Informationsversorgung. Kern der Aufgabe eines agilen Informationsmanagements ist also die kontinuierliche, aktive Gestaltung und Koordination der Informationen im Unternehmen.“[16] Dabei werden aktiv die Potentiale des existierenden Informationsraumes in Hinblick auf künftige Informationsangebote untersucht und deren strategischer Vorteil für das Unternehmen untersucht.

Prozessverbesserung von Geschäftsmodellen

Das Ziel von mittelständischen Unternehmen, besonders aber von Industrieunternehmen, besteht in der Beherrschung der Prozessergebnisse. Dabei wird primär eine definierte Qualität des Prozessergebnisses unter hoher Wirtschaftlichkeit angestrebt. Industrielle Prozesse sind jedoch durch ihre hohe Komplexität, Individualität sowie den Anspruch an Flexibilität nur schwer zu beherrschen. „Die weltweite und hochfrequente Bereitstellung von Informationen jeglicher Art lässt oft eine Kompensation von zusätzlichen Prozesskosten durch eine Erhöhung von Preisen aufgrund der erzeugten Transparenz kaum mehr zu. Folglich müssen die Kosten zur Beherrschung der zunehmenden Komplexität durch eine Verbesserung der Effizienz und Effektivität von Prozessen kompensiert werden, um auch in Zukunft die Wettbewerbsfähigkeit von Hochlohnstandorten zu erhalten.“[17] Die zunehmende Verwendung von Sensorik und Aktuatorik steigert die Leistungsfähigkeit von Produktionssystemen, die in Zukunft selbstständig durch Datennetze kommunizieren und agieren werden. Eine zentrale Herausforderung, neben den geplanten technologischen Verbesserungen, stellen die erzeugten Prozessdaten und das bereits genannte Datenmanagement dar. Wettbewerbsvorteile ergeben sich durch die effiziente Nutzung der Prozessdaten. Um auch in Zukunft wettbewerbsfähig agieren zu können, kann der im Rahmen von Industrie 4.0 geforderte Innovationsvorsprung nur dann gelingen, „wenn vorhandene Basistechnologien und Methoden für Besonderheiten der neuen Produktionscharakteristik anwendungsorientiert weiterentwickelt werden.“[18] Um dies zu erreichen bedient man sich des Prozessverbesserungsansatzes Six Sigma, der bezogen auf die Wertschöpfungspotentiale durch Methoden des Business Intelligence erweitert wird, „um ein Process-Performance-Measurement-System (PPMS) aufzubauen und zu betreiben, mit dem die Prozessleistung gezielt gesteuert und nachhaltig verbessert werden kann.“[19]

Ausblick: Gestaltung zukünftiger Produktionsprozesse

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. August-Wilhelm Scheer sieht bei der Umsetzung von Industrie 4.0 und der Digitalisierung einige Regelbrüche zu konventionellen Produktionsmethoden und -technologien. „Anstelle starrer Zuordnung von Produktionsanlagen zu Produkten werden flexible Rekonfigurationsmöglichkeiten der Produktionsanlagen geschaffen.“[20] Dabei werden Werke zukünftig für bestimmte Produktionstechnologien gebaut, in denen nahezu beliebige Produkte auf Grund sehr kurzer Rüstzeit gefertigt werden können. Weiterhin entwickeln sich Industriebetriebe als Folge der flexiblen Rekonfiguration immer mehr zu Dienstleistern. Industriebetriebe können „ihre Produktionstechnologien einem offenen Markt anbieten, der diese dann für die Produktion neuer Produkte, oder auch um Kapazitäten auszugleichen, kurzfristig nutzen kann.“[21] Weiterhin ist Scheer davon überzeugt, dass neue Unternehmenstypen in Form von Maklern entstehen. Hierbei geht es um die Verknüpfung zwischen Bedarf an Produktionskapazitäten und dem entsprechenden Angebot. Zukünftig werden sich die autonomen Produktionsanlagen mittels Chip- und Netzwerktechnologien, anstatt in hierarchischen Planungssystemen, selbst steuern. Produktdaten, wie sie gegenwärtig zur Beschreibung von Produkten in Form von Arbeitsplänen oder Stücklisten von Produktionsplanungs-systemen verwaltet werden, sind nicht mehr Beiwerk der Planungsfunktionen, sondern eine zentrale Ressource, an die auch Planungsfunktionen angedockt werden können.

Ferner geht es neben den technischen Herausforderungen und den damit verbundenen Problemen der IT um organisatorische Konsequenzen und um die Eröffnung neuer Möglichkeiten für neue Businessmodelle und Unternehmenskonzeptionen.

An dieser Stelle knüpft Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Wolfgang Wahlster an. 2012 stellte er die weltweit erste herstellerübergreifende cyber-physische Produktionsanlage auf der Hannover Messe vor. Dabei geht es ebenfalls um die Selbststeuerung von Produkten durch den Herstellungsprozess durch proaktive M2M Kommunikation. „Das Internet der Dinge und der Dienste macht innovative dezentral gesteuerte Produktionsverfahren für kleine Losgrößen und eine sehr hohe Anzahl von Produktvarianten möglich. Ein aktives digitales Produktgedächtnis ebnet den Weg für intelligente und individualisierte Produkte.“[22] Cyber-physische (Produktions-) Systeme (CPPS) sind verteilte, intelligente Objekte, die miteinander über Internettechnologien vernetzt sind. Sie zeichnen sich durch extrem kurze Umrüstzeiten aus (plug&produce).

Das digitale Produktgedächtnis (DPG) stellt ein ganzheitliches und flexibles Konzept zur Assoziation digitaler Informationen mit physikalischen Objekten dar, welches den produktbezogenen Informationsaustausch technologieunabhängig über die Ebenen des Unternehmens oder unternehmensübergreifend und über den gesamten Lebenszyklus des Produktes ermöglicht.[23] Die Speicherung produktbezogener Daten on-product macht zukünftige CPPS unabhängiger von Server-Systemen und verringert dadurch deren Anfälligkeit gegenüber Störungen. Zu den on-product-Daten zählen u.a. Prozessinformationen und -parameter, Transportziele, Herstellerdaten oder Kundeninformationen. Die Produkte steuern sich also selbst durch die Produktion.

  • Netzbasierte Dienste bieten die Möglichkeit des interoperablen Zugriffs sowohl auf Informationen des Wertschöpfungsprozesses als auch auf die Funktionalitäten, die durch Maschinen und Feldgeräte im Wertschöpfungsprozess zur Verfügung gestellt werden. Dabei etablierten sich Webservicetechnologien aufbauend auf dem Internetstandard HTTP. Dies führt neben einer barrierefreien Zusammenarbeit der Unternehmen auch zur Erschließung neuer Geschäftsfelder. „Automatisierungstechnische Geräte, Maschinen, Produktionslinien, Logistikplanungs- und Simulationssysteme werden zu Servern im Internet der Fabrik und bieten so Zugriff auf ihre Funktionalitäten und Informationen an.“[24] Technische Grundlagen zur vertikalen und horizontalen Integration von Automatisierungs- und IT-Systemen bieten Internettechnologien wie SOAP oder REST. Die Kapselung der eingangs erwähnten Funktionalitäten in Servicekomponenten und ihr Aufruf über Webservices führen zur serviceorientierten Architektur (SoA). Das SoA-Konzept ist bereits seit einigen Jahren etabliert und findet vor allem in Geschäftsprozessen Anwendung.
  • Simulation – Verbindung zwischen Realwelt und ihrem digitalen Abbild Durch die Simulation von kritischen technologischen Prozessen oder von Logistikszenarien lässt sich die Effektivität der Produktion deutlich anheben. Dazu ermöglicht Simulation eine größere Transparenz der technologischen Prozesse und kann u. a. zur Diagnose und zur technologischen Optimierung herangezogen werden. Weiterhin lassen sich Flexibilitäts- und Effizienzsteigerung der inner- und außerbetrieblichen Logistik erzielen.
  • Kontextbasierte Assistenzsysteme Unter dem Begriff Kontext wird im Allgemeinen die Menge an Informationen zur Charakterisierung einer Situation verstanden, die sowohl für eine Applikation als auch für deren Nutzer relevant ist.[25] In Bezug auf die digitale Transformation ergibt sich, hervorgerufen durch die Auflösung der Automatisierungspyramide, eine Flut an Informationen, die für den Menschen mittels situationsabhängiger Filterungsmechanismen aufgearbeitet bereitgestellt werden müssen. „Relevante Kontextarten […] sind neben der Ortsinformation auch Angaben über Produkte, deren Fertigungsstatus, Auftragsdaten, aber auch Informationen über Maschinen, wie z.B. Zeichnungen, technische Spezifikationen, Schrittketten und Prozessinformationen. […] Die kontextsensitive Assistenz für den Menschen in der Fabrik erfordert so den durchgängigen Informationszugriff auf alle Ebenen des Unternehmens und setzt somit das Vorhandensein eines Fabrik-Internets voraus.“[26] Zur Aufbereitung und Vermittlung dieser gefilterten Informationen bieten sich Augmented Reality (AR) Technologien an. Einer DFKI-Studie zufolge können sich 78 % der Befragten den Einsatz von AR im industriellen Umfeld vorstellen.

Zusammenfassung

„Als Grundlage für neue Ebenen der Produktivität und Wertschöpfung umfasst die 4. Industrielle Revolution die Entwicklung und Vermarktung autonomer, selbststeuernder und wissensbasierter Produktionssysteme, welche auf cyber-physischen Systemen basieren.“[27] Die größten Hürden für den Erfolg von Transformationsprojekten liegen also nicht in der Technik sondern beim Menschen. Dieser muss seine Rolle in der digitalen Fabrik erst einmal neu definieren. Dabei erfolgt ein Wandel vom klassischen Arbeiter hin zum Wissensarbeiter. „Die digitale Veredelung von Produktionseinrichtungen und Produkten ermöglicht eine neue Form der vertikalen und horizontalen Integration durch die Prinzipien des Internet der Dinge und des Internet der Dienste. Produkte werden intelligent, Maschinen tauschen untereinander Informationen aus, reale Produktionsprozesse und deren Simulation werden stärker miteinander verbunden. Kontextsensitive Assistenz bringt den Menschen zurück in das Zentrum der Produktion. Nach der Mechanisierung der Produktion, der Einführung des Fließbands und dem Einzug der IT-Systeme haben das Internet der Dinge und der Dienste, welche die technische Grundlage Cyber-Physischer Systeme darstellen, das Potenzial, eine vierte industrielle Revolution auszulösen.“[28]

Der Einzug des Internets der Dinge und des Internets der Dienste in die industrielle Produktion wird weiterführende Verbesserungen bei der Durchführung industrieller Prozesse in Produktion, Engineering, Supply Chain und Life Cycle Management ermöglichen, die in ihrer Gesamtheit zu einer neuen Form der Industrialisierung, der so genannten Industrie 4.0, führen. Dieser Ansatz und dessen Umsetzung lassen sich bereits heute in großen Unternehmen realisieren. Der Mittelstand hingegen benötigt an dieser Stelle weiterhin Unterstützung bei der Nutzung neuer Potenziale. Vor allem die ungenügende Datenverfügbarkeit und die unzureichende Datenqualität sind ausschlaggebend für das langsame Voranschreiten der digitalen Transformation im Mittelstand. Andererseits führen die zunehmende Prozessorientierung der Unternehmen und die damit erfolgte Transparenz über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg zu einer Zunahme der Digitalisierung und machen die Unternehmen Industrie 4.0-ready.

[1] Scheer, A.-W., Industrie 4.0 – Wie sehen Produktionsprozesse im Jahr 2020 aus? Herausgeber: Prof. Dr. Dr. h.c. mult. August-Wilhelm Scheer, o.O., o.J.

[2] Österle, H., Winter, R., Business Engineering in: Österle, H., Winter, R. (Hrsg.), Business Engineering – Auf dem Weg zum Unternehmen des Informationszeitalters, 2. Auflage, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, 2003.

[3] Scheer, A.-W., Industrie 4.0 – Wie sehen Produktionsprozesse im Jahr 2020 aus? Herausgeber: Prof. Dr. Scheer, A.-W., Industrie 4.0 – Wie sehen Produktionsprozesse im Jahr 2020 aus? Herausgeber: Prof. Dr. Dr. h.c. mult. August-Wilhelm Scheer, o.O., o.J.

[4] www.maschinenmarkt.vogel.de/durchgaengige-prozesskette-beschleunigt-produktentwicklung-a-513509, 02.05.2017

[5] www.mav.industrie.de/peripherie/schnell-und-sicher-zu-100-prozent-qualitaet, 02.05.2017

[6] Becker, S., Durchgängige Prozessketten in der Fertigung – Vision und Wirklichkeit, Frankfurt am Main, 2015.

[7] Reker, J., Böhm, K., „Digitalisierung im Mittelstand“ aus der Studienserie „Erfolgsfaktoren im Mittelstand“, Deloitte & Touche Gmbh Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, o.O., 2013.

[8] bis [13] Wrobel, S., Voss, H., Köhler, J., Beyer, U., Auer, S., Big Data, Big Opportunities – Anwendungssituation und Forschungsbedarf des Themas Big Data in Deutschland, Sankt Augustin und Bonn, o.J.

[14] / [15] Deloitte und Touche GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Digitalisierung im Mittelstand, Aus der Studienserie “Erfolgsfaktoren im Mittelstand“, o.O, 2013.

16] Knauer, D., Act big – neue Ansätze für das Informationsmanagement, Wiesbaden, 2015.

[17] bis [19] Wieland, U., Fischer, M., Hilbert, A., Prozessverbesserung im Kontext von Industrie 4.0 – ein Geschäftsmodellansatz für IT-Unternehmen. HMD – Praxis der Wirtschaftsinformatik 50, 2013.

[20] / [21] Scheer, A.-W., Industrie 4.0 – Wie sehen Produktionsprozesse im Jahr 2020 aus? Herausgeber: Prof. Dr. Dr. h.c. mult. August-Wilhelm Scheer, o.O., o.J.

[22] Wahlster, W., Industrie 4.0 – Wie sehen Produktionsprozesse im Jahr 2020 aus? Herausgeber: Prof. Dr. Dr. h.c. mult. August-Wilhelm Scheer, o.O., o.J.

[23] bis [26] Schlick, J., Stephan, P., Zühlke, D., PRODUKTION 2020 – Auf dem Weg zur 4. Industriellen Revolution o.O., o.J.

[27] Österle, H., Winter, R., Business Engineering in: Österle, H., Winter, R. (Hrsg.), Business Engineering – Auf dem Weg zum Unternehmen des Informationszeitalters, 2. Auflage, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, 2003.

[28] Schlick, J., Stephan, P., Zühlke, D., PRODUKTION 2020 – Auf dem Weg zur 4. Industriellen Revolution o.O., o.J.